Lass den Wald mal selber machen Teil 2
Lass den Wald mal selber machen Teil 2

Lass den Wald mal selber machen Teil 2

„OK, kann ich mir vorstellen“, hörte ich sie am anderen Ende der Leitung ganz ruhig sprechen.

„Und du sitzt auf diesem Baumstamm und berührst das Moos“, führte sie weiter fort. „Woher weißst du das?“, fragte ich sie. „Hallo, ich kenne dich doch, du musstest doch schon früher immer alles anfassen“, kam es mit einem lauten Lachen aus Schleswig. „Du hast Recht, ich streichle es, das fühlt sich so zart an. Ich stelle mir gerade vor, ich wäre im Baumarkt an der Farbmischmaschine und hätte den Auftrag an die nette Mitarbeiterin, mir mindestens zehn Grünschattierungen zu mixen, die würde Augen machen“, sprudelte es nur so aus mir heraus. „Na du hast Gedankenvernetzungen, aber das bist halt du“, antwortete Schleswig.

Und nun beschrieb ich was ich sah. Dieses Stückchen Wald wurde seit langem sich selbst überlassen, zumindest machte es den Anschein. Tote Bäume wurden nicht beseitigt, ich sah zwar Baumstümpfe, die wohl bei der letzten Säuberungsaktion des Försters zurück gelassen wurden, doch sie waren schon so mit Moos bewachsen und verwittert, hier war schon lange niemand mehr zum Großreinemachen. Tannenzapfen machten es sich bequem im Moos-Bett, manche waren so hinein gefallen, dass nur ihre obere Spitze hinaus schaute. Ein sattes Braun trifft auf Dunkelgrün, welch tolle Farbkombi, erzählte ich meiner Freundin. „Ich brauche dir jetzt nichts zum Duft berichten, stelle ihn dir einfach vor. Modriges, nasses Moos in Kombination mit Tannen-und Harz-Duft, sehr erfrischend und beruhigend, diese Kreation sollte vielleicht einmal jemand als Duftöl herausbringen“, erzählte ich. „Die Sonne scheint gerade, ich kann einen blauen Fleck am Himmel erkennen. Die Tannenkronen wiegen sich etwas im Wind, ein Stamm quietscht. Ein Lufthauch erreicht mich nun an diesem Baumstamm, mein Haar bewegt sich, es klingt wie eine leise Musik“, spreche ich ins Handy.

 Für einen kurzen Moment sah ich mich selbst. Ich schaute mir diese Kamera-Einstellung von außen an. Da saß ich nun auf diesem Baumstamm allein in diesem grünen Zimmer mit einem Handy am Ohr, sprach hinein, erzählte von Baummusik, blauen Flecken am Himmel und neuen Duftkreationen. Innerlich lächelte ich mir selbst zu. „Angela, du hältst dich wacker, nutze deine Zeit und lass andere teilhaben an deinen Beobachtungen, deinem Wissen und deinen Gedanken.“

Diese Sequenz wurde mir erst nach meinem Telefonat bewusst, als ich die letzten Schritte nach Hause ging. Impulse, Gedanken, Sätze werden mir manchmal eingespielt. Woher sie kommen, ich weiß es nicht, sie sind einfach da. In diesem Fall hat dieser kurze Einspieler mir den Mut gegeben meinen Weg weiter zu gehen, die Bestätigung gegeben, dass ich Menschen erreichen kann und wenn es per Telefon ist und dass ich eine Einheit bin mit dem Wald.

Meine Aufmerksam kam sogleich wieder zurück an diesen Ort unter dem Tannendach. „Was mir  ganz besonders auffällt“, erklärte ich mit etwas ernster Mine meiner Freundin, „dieses Stückchen Erde bringt gerade eine neue Generation Tanne hervor. Der komplette Moos-Teppich ist ein Beet. An anderer Stelle, ganz besonders hier im Teutoburger Wald werden gestorbene Tannen gefällt und die Landschaft verändert sich. Als würde diese Art uns sagen wollen. „Jetzt erst recht, wir geben nicht auf!“

„Das klingt ja wunderbar“, freute sich meine Freundin am anderen Ende der Leitung. „Der Wald reguliert sich selbst, lass ihn einfach in Ruhe und die Baumarten entstehen dort, wo sie den passenden Ort für sich finden“, rief sie mir zu. „Ja du hast Recht. Ich habe erst letzte Woche von einer weltweiten wissenschaftlichen Studie gelesen, dass die Forscher selbst überrascht sind, wie schnell sich die Natur selbst heilen kann. Mit dieser kurzen Zeitspanne hatten sie nicht gerechnet. Und nun stehe ich in Bielefeld-Sennestadt und beobachte gerade diesen Baum-Kindergarten. Überall sprießen und wachsen sie, zunächst machen es sich die Zapfen bequem im Moos-Bett um anschließend ihre Samen in dem wundervollen Humus keimen zu lassen. Manche Tanne ist noch mini klein, quasi ein Säugling, manche Tanne ist schon im Kleinkindalter. Etwa drei Meter von meinem Baumstamm entfernt mache ich die nächste Altersklasse aus, die pubertierenden Tannen. Hier ist jedes Alter vertreten, bis zur Greisin. Die Toten werden im Moos begraben und geben der Erde durch ihr Holz wieder wichtige Nährstoffe für Tier und Pflanze. Und ich sitze mitten drin!“

Meine Stimme verstummt gerade einen Moment. Auf der anderen Seite der Leitung herrscht auch Stille. Beide haben wir wohl in diesem Moment begriffen, wie die Welt funktioniert. Ein Kommen und Gehen, ein ständiger Kreislauf, ein Verbundensein mit allem. In großer Ehrfurcht fühlte ich mich mit meiner Freundin und allem um mich herum sehr nahe.

„Hast du eine Erklärung, warum gerade die Tanne sich vermehrt ausbreitet?“, fragte es auf einmal aus Schleswig. „Wenn ich nachdenke, welche Energie speziell der Tanne zugeordnet ist, so kommen mir Worte wie:

Individualität in der Gruppe leben

Lebenskraft in die richtigen Bahnen lenken

ohne Angst in die Zukunft blicken

Widerstandskraft

von Abhängigkeiten befreien

emotionale Eiszeiten überstehen

über sich hinaus wachsen.

Dies ist nur ein kurzer Auszug an Baumenergien der Tanne. „Wow“, kam es nur aus dem Handy, „wenn das so ist, dann machen uns die Tannen doch ganz besonders in dieser schwierigen Zeit enormen Mut. Sie geben uns Kraft, diesem Chaos Stand zu halten, können uns lehren keine Angst vor der Zukunft zu haben und diese Zeit der Trennung zu überstehen. Wenn jeder von uns seine Individualität, seine Besonderheit der Gruppe zur Verfügung stellt, können wir gemeinsam in den Himmel wachsen, niemand nimmt dem anderen etwas weg. Dein Tannen-Kindergarten sollte Schulungsraum für eine extrem verspannte Menschheit sein!“ „Ja, die Natur kann ohne uns Menschen weiter existieren und sich reparieren, wir Menschen können aber ohne die Natur nicht leben. Dieses kleine Stückchen Wald gibt uns die Luft zum atmen, filtert für uns die Schadstoffe heraus, stärkt unser Nerven-und Immunsystem und erhöht unsere Energie. Weißt du was ich für die wichtigste Aufgabe der Menschen im Moment halte?“ „Sich gesund zu halten?“, fragte sie mich.

„Das auch, doch der erste Schritt zum gesund sein entsteht im Kopf. Ohne Freude, ohne Lachen, ohne Berührungen werden wir Menschen krank. Wenn wir in der Angst vor einer schlimmen Zukunft bleiben, erkranken wir genauso wie die Tannen im ganzen Bundesgebiet. Die Frequenz des Umfeldes hatte sich geändert, das Haupt-Thema der Tannen, nämlich Liebe, war in den letzten Jahrzehnten abhanden gekommen.

 Senkt sich die Energie wird man oder Baum anfällig für Krankheiten. Und so kam es, der Borkenkäfer hat diese Situation ausgenutzt und diese Baumart befallen. Dies ist natürlich meine Interpretation des Baumsterbens, es gibt viele Ansätze.

Die Bäume sind weltweit über ein Energie-und Pilzgeflecht miteinander verbunden. Nun helfen ihnen die Übriggebliebenen. So entsteht eine neue Generation Tanne hier in Bielefeld und ich denke überall auf der Welt.“

„Dies ist ein schöner Gedanke“, sprach meine Freundin, „Dann lass es uns den Tannen nachmachen, vernetzen wir uns, schenken uns Freude, unterstützen uns gegenseitig! Lass den Wald mal selber machen…“Auf der anderen Seite wurde es still. „Meine Liebe, was möchtest du mir jetzt damit sagen?“, fragte ich meine Freundin durchs Handy. Mit leiser Stimme kamen diese Worte an mein Ohr und begleiteten mich auf meinem Start ins neue Jahr 2022.

Sie sprach: „Lass die Menschheit mal selber machen, könnte man doch auch sagen. Wenn wir in Respekt, mit Liebe und Mitgefühl miteinander umgehen, können wir diese Angst vor einer schlimmen Krankheit verlieren. Durch Freude stärken wir unser Immunsystem, dadurch kann uns der Borkenkäfer oder ein Virus nichts mehr anhaben und wir hätten diese C-Zeit überstanden. Ich danke dir für diesen schönen und wichtigen Ausflug in deinen Wald und unser Gespräch. Ich hoffe du nimmst mich beim nächsten Anruf wieder mit und die Bäume geben uns wichtige Tipps fürs Leben. Bis zum nächsten Mal meine Liebe!“

Sie legte nach einer gedanklichen Umarmung meinerseits auf. Mit langsamen Schritten lief ich zurück nach Hause. Wie anders doch Gespräche unter oder mit Bäumen verlaufen…Meine Mine verzog sich zu einem Lächeln. Nein diese Zeit ist keine einfache, doch sie hält uns den Spiegel vors Gesicht, einem jeden von uns seinen eigenen. Corona ist nur der Katalysator. Auch ich habe meine Spiegel, doch ich kann mir mein Gesicht, mein Thema besser im Wald anschauen. Die Bäume lehren mich und lassen meinen Geist immer wieder gesunden. Gesund sein beginnt im Kopf, danke ihr Tannen.

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